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Wednesday, April 9, 2014

GREETING THE BOARD OF DIRECTORS/ Begrüßung des Aufsichtsrats

Handke beschreibt in diesen Prosatexten, wie der Schrecken von Ausbeutung, Zerstörung, Totschlag und Mord – verbal in Einzelteile zerlegt – verschleiert werden kann.

http://handkeonline.onb.ac.at/search/node/Begr%C3%BC%C3%9Fung%20des%20Aufsichtsrats

http://www.oesterreich-am-wort.at/treffer/atom/151B3F66-19B-00006-00000D9C-151A1537/

A number of these texts exist in English & I will list where in due course, etc.

Klaus Nöstlinger
Handke reloaded: Begrüßung des Aufsichtsrats
Zwerg Dollfuß - Transkript
Genossen, es ist heiß hier. Wie soll ich eine plausible Antwort liefern? Nach meiner Ankunft habe ich vom Flughafen ein SMS geschickt, um das processing für das meeting abzuchecken. Keiner hat geantwortet. Ich nahm ein Taxi, ich rief nach der security; ich sah sie weder hinter dem Panzerglas noch unten bei der Klimaanlage noch beim Empfang. Dann traf ich die public relation-lady: sie saß in der Sonne bei den Glasscherben; im Türkensitz, das Haupt yogamäßig zwischen den Beinen, die Arme im Genick verschränkt. Ich erkundigte mich nach den Umständen. Regungslos sagte sie, alle seien emittiert; ihre Existenz wäre ruiniert worden. Bedienungslos hat die Klimaanlage alles überheizt; verzeihen Sie, meine Ansprache wird kurz sein. Schließen Sie zu mir auf, so können Sie mich besser verstehen; es wird keinen sentimentalen Vortrag geben, nur eine kurze Darstellung unseres Bilanz-Testats. Leider sind die Fensterscheiben durch den hurricane in Mitleidenschaft gezogen worden; vor Ihrer Ankunft habe ich mit support der public relation-lady diese Plastikfolien angemacht, es war uns aber kein großer Erfolg beschieden. Das Gebrüll des Orkans wird Ihre Aufmerksamkeit bei der Präsentation der Bilanzprüfung nicht stören; es ist alles bestens; seien Sie gewiß, der Aufsichtsrat ist juristisch nicht belangbar. (Rücken Sie ein wenig an mich heran, wenn es zu laut ist.) Leider ist die Situation etwas unpassend; alles wäre vermeidbar gewesen, hätte die Belegschaft nicht fristlos gekündigt; die hilfreiche lady vom marketing berichtete beim Vernageln der Fenster von einem Aufschrei, der von unten bei der Klimaanlage kam; sie selbst sei bei den Vorbereitungen für das meeting gewesen; auf einmal gab es ein fürchterliches Gebrüll; wie angewurzelt war sie stehen geblieben; sie hörte alles. Dann erschienen sie beim Empfang, ihre Zutrittskarten baumelten lose an ihren Bäuchen; hängenden Kopfes nuschelten sie etwas von einer Katastrophe, die sie gerade in Erfahrung gebracht hätten. Die Einladungsliste für das meeting haben sie mitgenommen, ich heiße Sie auf das Herzlichste willkommen, ich improvisiere Ihre Vorstellung nach der Sitzordnung bzw. nach der Reihenfolge Ihres Eintreffens. Ich wiederhole: wie Sie sitzen und wie Sie eingelangt sind. (Es ist laut hier.) Ich würdige Ihre Bemühung, trotz des Unwetters gekommen zu sein; wir alle sind lang geflogen. Vermutlich dachten Sie an etwas wellness, gekühlte Getränke, eine Massage, die einem die Erschöpfung aus den Knochen treibt; stattdessen sitzen Sie noch immer in Ihrem verschwitzten outfit vor lärmenden Plastikfolien in einem überheizten Raum; die vidiwall wurde auch abmontiert; ein Schatten an der Wand zeugt noch von deren früherer Existenz, als hier noch nach Geschäftsordnung vorgegangen wurde. Vielen Dank, daß Sie trotzdem herübergeflogen sind; vielen Dank und guten Tag. Einen wunderschönen Tag, wirklich! Freundschaft dem Herren dort drüben, wo noch vor kurzem die public relation-lady vom marketing in der Hitze gesessen ist; Ihnen einen schönen Tag und vielen Dank. Nach dem Erhalt des emails mit der Einladung zu diesem meeting, im Zuge dessen die Bilanzprüfung auf der Tagesordnung steht, waren von ihm Bedenken geäußert worden, gerade ob der äußeren Umstände, des Unwetters, des Orkans, der umherfliegenden Sachen wegen; dann hatte er die Befürchtung geäußert, eine schwarze Wolke hänge tief über der Aktiengesellschaft. Ich meine, er befürchtete das Schlimmste. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. (Verzeihung, so ein hurricane.) So stieg er ins Flugzeug, rechtzeitig, bevor das Unwetter losbrach. Hier in der Karibik fuhren keine Taxis mehr, es flog schon allerlei herum. Im japanischen Nudelhaus hatte er den Economist studiert, dann hatte er sich durchgeschlagen. Dabei begegnete er einem zweiten Genossen, der auch hierher unterwegs war: dieser hockte an einer Bambushütte, seinen Tropenhelm festhaltend, in einer Hand kandierten Fisch; am Kopf schon allerlei Dreck. Ich wiederhole: Dreck am Kopf und er genoß kandierten Fisch. Als deren Wege sich kreuzten, gab es eine kurze Begrüßung, und der zweite, der mit dem Tropenhelm, fischte aus seiner Tasche kandierten Fisch für den anderen. Dabei flog sein Tropenhelm davon, eine komische Sache. Sie amusierten sich köstlich. (Kommen Sie etwas heran, Sie hören ja nichts. Eine schwarze Wolke hängt über der Zentrale. Sie hängt nicht über der Geschäftsgebarung; Sie bekommen Ihren Emissionserlös aus der letzten Bilanz; das versichere ich Ihnen hier in diesem karibischen meeting.) Die anderen Aufsichtsratsmitglieder waren noch am Flughafen, als die beiden Zuckerfischesser gegen den Wind angingen. Schutzlos wären die vier Transferlosen in ihrem business outfit der Naturgewalt ausgesetzt, berieten sie ihre mißliche Situation, zu Fuß den Marsch zur Zentrale aufnehmen zu müssen. Ich habe gesagt: Zentrale. Schließlich zerstreute das Interesse an der Lage des Syndikats die Bedenken; im japanischen Nudelhaus hatten sie den Economist gelesen, dann hatten sie sich hierher durchgeschlagen; getrieben vom Zweifel an der Renditeerwartung. Entschlossen machten sie sich auf den Weg, zunächst, alsbald ihrer Kräfte verlustig werdend. Im Sturm innehaltend vergegenwärtigten sie sich der Sachen, die da vom Himmel zu fliegen schienen; da auf der Palme erkannten sie die vielen bunten Bändchen, die auch sie um den Hals trugen, mit den Zutrittskarten daran: da war die Belegschaft gelaufen, als sie von der Katastrophe gehört hatte; sie waren gestürzt, hatten Schuhwerk verloren, Krawatten wirbelten herum, Fetzen von Sakkos, Blutspuren, manche waren wohl von umherfliegenden Gegenständen getroffen worden. Manche hatten wohl Unterschlupf gesucht, hatten ihre Wunden geleckt, niemand war da, keiner half ihnen. Niemand hatte sie gehört, keiner vernahm ihre Hilferufe, das Stöhnen des Orkans schluckte alles und riß alles mit sich fort. Sie entdeckten einen Tropenhelm, in dem klebriger Fisch sein Nest fand, die Spur ihrer kandierten Fisch verzehrenden Vorgänger, die der karibischen Gewalt trotzten, die Radikalisierung der Streuung durch verstärkte investments in Fernost diskutierend. Letztlich hatte der gesamte Aufsichtsrat doch die Zentrale durch den verwaisten Eingang eines vom Sturm gemarterten, brüllenden Gebäudes erreicht; die Zuckerfischesser hielten bereits in voreiligem Gehorsam den mit dem Logogramm des Unternehmens versehenen, klobig-protzigen Kugelschreiber und am Schoß den mit dem Logogramm des Unternehmens ausgestatteten Schreibblock; Sie hatten diese Erwartungshaltung, die immer ein meeting einläutet, ihre Körpersprache sagte, ich möge einleiten, Ihrer Notizen wegen. Ich heiße sie allesamt willkommen und freue mich, das meeting zu eröffnen: Ich freue mich über die Herren mit dem süßen Fisch, die so eifrig notieren, natürlich über die vier anderen Aufsichtsratsmitglieder, die später gekommen sind und alle Zutrittskarten der nunmehr verlustig gegangenen Belegschaft auf dem Weg hierher gesichert und wieder zurückgebracht haben. (Jetzt wankt das Haus; ein Heulen im Obergeschoß, das ist der Wirbelsturm; das Imperium wankt nicht. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist außergewöhnlich; der Vorstand weiß, wie man eine Bilanz richtig hält. Es ächzt nur die Konstruktion des Hauses.) Ein großes Lob an die Belegschaft für den außergewöhnlichen Einsatz zur Gewinnoptimierung, für den hervorragenden input jedes Einzelnen, denn wir alle sind das Unternehmen: Ich danke dem marketing, das in den letzten Tagen keine Kosten und Mühen gescheut hat, dieses außergewöhnliche meeting zu ermöglichen. Zunächst gilt mein Dank all jenen, die unter Aufbietung all ihrer Fähigkeiten die Einladungsmails gesendet haben sowie dem ganzen Team, dem auch an den Wochenenden kein Opfer zu groß war, um die Leistung zu erbringen, die wir im Vorstand von ihnen erwartet haben. Anerkennung dem Vetrieb, der rund um die Uhr, bei Tag und Nacht, bei Hoch und Tief, mobil war, um das innere Gefüge des Konzerns zu stärken, aber auch die bei uns an erster Stelle stehenden Kundenwünsche optimal zu befriedigen. Ein ganz besonderer Verweis an dieser Stelle an costumer services für den Dienstleistungsfaktor, der weltweit keinen Vergleich zu scheuen braucht. Last but least ein Pauschallob der Werbeabteilung, die durch ihre kompetente Kooperation mit den Kreativen einen soliden Auftritt nach innen und außen, sozusagen corporate identity in Perfektion, gewährleistete. Und ein spezieller Dank an die public relation-lady, die bis zuletzt an board geblieben ist. (Meine Herren, verhalten Sie sich bitte still; unsere Investoren sind sehr zufrieden; jetzt wankt das alte Haus wieder; ein Ächzen des Fundaments, das ist der Wirbelsturm; die Konstruktion des Imperiums wankt nicht.) Der security also gilt unser aller Dank; es wäre mir ein persönliches Anliegen, mich persönlich zu bedanken, wenn sie sich nicht bei Wind und Wetter aus dem alten Haus geschlichen hätte. Ich würde mich auch gerne nochmals bei der public relation-lady bedanken, für alles, was sie für dieses meeting leistete, sie hat uns wohl schon verlassen. Ihnen, den hier Versammelten, danke ich ganz besonders und freue mich, Sie in unserer Mitte wähnen zu dürfen. Ich flehe Sie an, bleiben Sie doch sitzen, so bleibt unsere Zentrale statisch stabil. Was für eine Erschütterung, was für ein Orkan! Ich wiederhole: was für ein hurricane! Verharren Sie auf Ihren Sitzen. Ich freue mich, daß Sie den weiten Weg nicht gescheut haben und wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt. Es heult im Obergeschoß, ich wiederhole, es ächzt das Fundament; entspannen Sie sich auf Ihren Positionen und beten Sie, daß das Gebäude standhält. Ich wiederhole, was ich gemeint habe, soweit ich etwas gemeint habe, erwähnte ich meine Bitte, doch still zu bleiben. Ich heiße Sie herzlich willkommen. Willkommen in unserem Haus, guten Tag, grüß Gott, es freut mich außerordentlich, Sie willkommen zu heißen, wie ich eben meinte. Sehr geehrte Herren, willkommen im Klub derer, die ihres Bonusses verlustig werden. Ich freue mich, Sie zu sehen. Ich freue mich. Ich.


Peter Handke hat „Begrüßung des Aufsichtsrats“ 1964 verfaßt. 1964 legt ÖGB-Präsident Franz Olah sein Amt nieder. Der Österreichische Gewerkschaftsbund hatte mit einer Millionenzuwendung der Kronen Zeitung und der Freiheitlichen Partei auf die Sprünge geholfen. 2006 tritt ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zurück, als bekannt wird, daß der ÖGB die nationalen Arbeitnehmerinteressen in der Karibik den Spekulationshaien zum Fraß vorgeworfen hat. In meinem Versuch „Zwerg Dollfuß“ zeige ich, wie die aktuelle politische Struktur nunmehr der der letzten Jahre der Ersten Republik gleicht.

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