http://handkeonline.onb.ac.at/search/node/VERSUCH%20%C3%9CBER%20DEN%20GEGL%C3%9CCKTEN%20TAG
»Playful, reflective, insightful, and entertaining, The Jukebox and Other Essays on Storytellingconstitutes a literary triptych that redefines the art of the essay and challenges the form of the short story, confirming Peter Handke's stature as ›one of the most original and provocative of contemporary writers‹.« (Lawrence Graver, The New York Times Book Review
http://dramagraz.mur.at/dramagraz/archiv/bis_2009/archiv_dramagraz_alt/030626_peter-handke_versuch.pdf
http://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-663-08692-5_8
http://onlinestreet.de/120275-peter-handke-versuch-ueber-den-geglueckten-tag
Eine echte Fälschung
Peter Handkes „Versuch über den geglückten Tag“
Aktualisiert 23. August 1991 08:00 Uhr
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Von Iris Radisch
Winter 1990 – Frankreich rüstet sich für den Golfkrieg. Vom Militärflughafen Villacoublay hört man das Donnern der startenden Bomber, „gleich hinter dem Hügelwald, sich verdichtend von Tag zu Tag, mit dem heranrückenden Krieg“. Der Lärm hinter den Hügeln ist dem Dichter Peter Handke einen ganzen Satz wert, einen einzigen – in seinem „Versuch über den geglückten Tag“, einem „Wintertagtraum“.
Im Winter geht der Dichter spazieren. In die Weinberge, um dort Shakespeares „Wintermärchen“ zu lesen. Seine Übersetzung des Schauspiels widmet er dem „Weinberg von Suresnes, oberhalb von Paris, wo mir, als ich da in der Stille saß und las, ‚The Winter’s Tale‘ in deutsch nicht mehr so unmöglich erschien wie zuvor“.
Winter 1990 – als die Bomber aufstiegen und der Dichter saß und las.
Im Sommer 1990 trägt ein Pariser Vorortzug den Schriftsteller Handke auf der Höhe von Suresnes in einem weiten Bogen aus der „Tagesklemme“ heraus. Das bringt ihn auf die Idee vom geglückten Tag, versetzt ihn in den „Schwung, der heiß macht, sich zusätzlich an einer Beschreibung oder Aufzählung, oder Erzählung der Elemente und Probleme solch eines Tages zu versuchen“. Wenn der Versuch glückt, denkt er, könne er das Buch auch „Märchen des geglückten Tages“ nennen. Nicht nur Wintertagtraum, wie es im Untertitel heißt, nein: Wintermärchen des geglückten Tages.
Bald darauf begegnet ihm der Bogen von Suresnes noch einmal. Auf dem Bild „Der Maler und sein Mops“ von William Hogarth in der Londoner Tate Gallery entdeckt er einen krummen Strich, den man – wäre er nicht beschriftet – angesichts der abgründigen Mopsaugen und der verloren ins Bild hängenden Mopszunge leicht übersehen würde. „The Line of Beauty and Grace“, die Linie der Schönheit und der Anmut, ist unter dem Strich auf der umgedrehten Palette zu lesen.
Die Leere zwischen dem nichtssagenden Strich und den vielversprechenden Worten – zwischen der Kurve bei Suresnes und der Idee vom Glück – verlangt eine Erklärung. Hogarth und Handke mußten ein Buch schreiben, um ihre Embleme zu entschlüsseln. Einen Essay der eine, einen „Versuch“ der andere.
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„Ich gab also“, schreibt Hogarth, „im Jahr 1745 einen Titelkupfer zu meinen in Kupfer gestochenen Werken heraus und zeichnete auf eine darauf gestochene Palette eine Schlangenlinie, worunter ich folgende Worte setzte: Linie der Schönheit und der Anmut. Man biß bald an und eine Zeitlang machte sie mehr zu schaffen, als jemals eine ägyptische Hieroglyphe.“ Auf über zweihundert Seiten erklärt Hogarth in seiner 1753 in London erschienenen Schrift „The Analysis of Beauty“, warum die Schlangenlinie das einzig Schöne im Leben und in der Kunst ist. Seine Beweise reichen von den Füllhörnern der Götter über die geschwungenen britischen Staatskleider, die gewellten Damenfrisuren, das krause Petersilienblatt bis zum englischen Gesellschaftstanz. „Die Schlangenlinie“, schreibt er, „ist die eigentlichste Form, welche man ausdenken kann, um nicht allein die Schönheit und den Reiz, sondern die ganze Ordnung der Form auszudrücken“ – „zu der Allgemeinheit einer Form zu lichten“, wird der Hogarth-Nachfahre Handke rund zweihundert Jahre später schreiben.
Hogarths Kampfschrift, die Handke nicht erwähnt, gipfelt in einem letzten, die Macht der Schlangenlinie endgültig bekräftigenden Zitat – aus Shakespeares „Wintermärchen“: „What you do / Still betters what is done – / a wave o’ the sea, that you might ever do / Nothing but that; move still, still so, / And own no other function In der Übersetzung, die Peter Handke im November 1990 dem Weinberg von Suresnes gewidmet hat, heißt das: „was du auch tust, ist gut... / Meereswoge, damit du nie wieder anders tätest, / Bloß dich bewegtest, noch und noch, nichts sonst!“
Ein Strich, ein weiter Bogen, ein Wintertagtraum, startende Bomber: Peter Handke schreibt einen Versuch über den geglückten Tag. Er hat sich schon in vielen Erklärungen des Glücks versucht. „Die Begierde nach dem Zusammenhang“ ist das Glück in der „Lehre der Sainte-Victoire“. In der „Stunde der wahren Empfindung“ ist es das Gefühl, „von jedem Punkt aus zu Fuß nach Hause gehen zu können“. Im „Versuch über die Jukebox“ heißt das Glück „Levitation“. Und im „Versuch über die Müdigkeit“ ist der Erzähler glücklich, wenn in vorkantischer Eintracht „alles beieinander ist“: die Dinge, wie sie sind, wie sie sein sollen, wie sie an sich sind – bevor der Mensch sie sah. Am glücklichsten wäre Peter Handke, wenn er sich bei seinem eigenen Erblinden zusehen könnte, um als blinder Seher die Dinge so zu sehen, wie sie sich selber sehen würden, wenn sie Augen hätten.
Die kleinen Versuchsschriften, die er inzwischen schon im dritten Jahr verfaßt, sind Exerzitien der Selbstentmachtung oder zarte „Versuche“, dem Autor Peter Handke, nach den gewichtigen Notizbüchern und Romanen der achtziger Jahre, einen Strich durch die Palette zu machen. Und ihm für die Schönheit die Augen – zu schließen.
Früher wußte Handke immer alles ein bißchen schneller, ein bißchen genauer, ein bißchen schmerzhafter als alle anderen. Er konnte Dinge sagen, die wir vergessen hatten, nie so sagen könnten und doch schon immer sagen wollten. Er konnte die Welt durch seine Worte bezaubern und verwandeln. Heute will er durch seine Worte ein Schweigen vorbereiten, in dem die Welt wie durch Zauberei selber zu Wort kommen soll. „An dem geglückten Tag“, sagt der Glückssucher, „werde ich rein sein Medium gewesen sein, mich von der Sonne habe bescheinen, vom Wind anwehen, vom Regen anregnen lassen, mein Zeitwort wird ‚gewährenlassen‘ gewesen sein.“ Er will die „sich selbst erzählende Welt“. Und je größer Handkes Wünsche werden, desto kleiner werden seine Bücher.
Schon häufig hat der Versuch, den Autor im Buch abzuschaffen, eher zur Abschaffung des Buches geführt. Mallarmé wollte ein autorfreies, absolutes Buch schreiben und hat es bei losen Notizblättern belassen. Francis Ponge hat in seinen kurzen Prosa-Skizzen „Im Namen der Dinge“ versucht, die Dinge selber zum Sprechen zu bringen. „Die Dichter“, schreibt er in seinem Aufsatz „Die stumme Welt ist unsere Heimat“, „haben sich keineswegs mit ihren menschlichen Beziehungen zu befassen, sondern sich in das sechsunddreißigste unterirdische Stockwerk zu versenken“, denn ihre Dichtung ist „Nahrungszufuhr für den Geist, der an den Kosmos angeschlossen wird. Wir brauchen nur unseren Anspruch herunterzuschrauben, die Natur beherrschen zu wollen, und unseren Anspruch hinaufzusetzen, körperlich an ihr teilzunehmen, damit die Versöhnung stattfinde.“
Will man Handke nicht weit unter seinem eigenen Wahnwitz loben, muß man eingestehen: Genau das will er auch – Anschluß an den Kosmos, Teilnahme an der Natur, Rettung, Versöhnung, Versenkung. Auf 91 Seiten.
Doch anders als Francis Ponge, der im 36. unterirdischen Stockwerk der Erde den Dingen in größter Einsamkeit Namen verleiht, schreibt Peter Handke im „Versuch über den geglückten Tag“ nur die Bedienungsanleitung für den Fahrstuhl. Und er tut das so, wie es sich für eine Bedienungsanleitung gehört: ein wenig sang- und klanglos.
„Wer hat schon einmal einen geglückten Tag erlebt?“ fragt das Ich sein Du, mit dem es den ganzen „Versuch“ über, platonisch zweigeteilt, zu Rate geht. Ist der geglückte Tag mehr als ein geglückter Augenblick? Mehr als eine geglückte Arbeit? Eine geglückte Sache?
Es gibt keine Antwort. Die alten Glücks-Ideen sind tot: Der kairos ist tot. Der Glaube an das selbstgemachte Glück auf Erden ist tot. Gott ist tot. Handke ist erschüttert. Ohne „Gesetzlichkeit“, ohne „Zusammenhang“, ohne „Gewißheit“ lebt der Mensch in einer Art Glücksvergessenheit – „dahin“.
Auch wenn wir die „Empörung“ und die „Not“, die dem Dichter diese ungesetzliche, ungewisse Glückslage bereitet, nicht teilen können – ja, käme es hart auf hart, irgendein ungewisses, zusammenhangloses, gesetzloses Glück dem geglückten Tag nach Peter Handke sogar vorziehen würden –, bewundern wir den Klassiker Peter Handke, der Maß, Regel und Form selbst für die maßlosesten Angelegenheiten des Lebens sucht. Und, zu unserer großen Beruhigung, nicht findet. Denn immerzu schiebt sich eine Mopszunge störend ins Bild: als Passant, der sich die Taschen abklopft, als Holzscheit, der dem Dichter auf die Füße fällt, als gelber Amselschnabel. Ein Nichts genügt, und das Gespinst des Glücks ist zerrissen. Der „Versuch über den geglückten Tag“ bricht zusammen.
Zu Beginn, im Schwung der erinnerten Bahnfahrt, der erinnerten „Linie der Schönheit und der Anmut“, greifen die Sätze weit aus, spreizen sich, nur durch ein loses „Und“ verknüpft, über die Seiten. Aber von dem geglückten Tag ist nicht „einfach und rein“ zu erzählen. Er ist nur eine „Idee“, und „indem nichts als die Idee da ist, kann das Erzählen nur handeln von eben dieser Idee“. Und das heißt: von sich selber. Von der Unmöglichkeit, einen geglückten Tag zu erzählen. Das macht die Sätze kürzer, bringt sie ins Stottern. Die Erzählung stolpert über die Erzählung, die nicht zu erzählen ist. So sind die drei „Versuche“, jeder auf seine Weise, eine „Kritik des reinen Erzählens“, eine Vorstudie, ein Prolegomenon, in dem die „Bedingungen der Möglichkeit“ des Erzählens probiert, das Gerippe einer solchen Erzählung ausgelegt, aber das Erzählen selber aufgeschoben oder nur angedeutet wird.
Damit ist Handke am „Nullpunkt der Literatur“ angekommen, von dem Roland Barthes in Frankreich schon vor vierzig Jahren gesprochen hat. Auf diesem Nullpunkt, der für Barthes zugleich der Höhepunkt der Literatur ist, stehen die, Schriftsteller ohne Werk, die Schriftsteller auf der Suche nach einem Werk, die Dichter, die alles wollen und deshalb wenig schreiben.
„Wir wollen hier“, „wohl aber sollen ...“, „so soll es...“, erzählt der verhinderte Erzähler – und dabei bleibt es. Alles Wichtige findet in der unwirklichsten und unheimlichsten aller Erzählzeiten statt: in der Vergangenheit der Zukunft. So wird es gewesen sein. Immer wieder korrigiert er sich, tauscht Worte aus, bietet Alternativen an. Soll ihm die Idee des geglückten Tages „Vorspuren“ oder besser „geistern“ oder „irrlichtern“ Soll Hogarths Linie auch „Linie der Schönheit und der Gnade“ heißen?
In flüchtigen Anläufen werden Glücksszenarien entworfen, werden Bilder, Augenblicke des Glücks aufs Papier getuscht und gleich wieder verwischt: die Rabenfrühe, die Taukügelchen auf der Rabenfeder, die siebensprossige Leiter im Garten, das Schweigen der Cafebesucher, ein „unerhörter Moment“ beim Betrachten einer Gartenhecke. Aber das macht noch keinen Tag. Oder ist der geglückte Tag ein Ton? „Hörend bin ich auf der Höhe“, kalauert der Dichter. Und er hört wirklich allerlei: das Klingeln eines auftreffenden Blattes auf der fernen Horizontlinie, den Dreisprung der Amsel über die Gartenhecke, doch der „reine Ton“ ist nicht dabei.
Wahrscheinlich ist es gerade ein „Nichts an Tag“, das, wie das Nichts an Buch, die „äußerste Fülle“ verspricht. An so einem nichtigen Tag wachsen in der Luft des Morgens die verschiedenen Erdteile zusammen, „und in der Folge gehört es auch zum Glücken, es einfach Abend werden zu lassen, mit Augen selbst für das Zwielicht, und hernach von deinem Tag, obwohl nichts geschehen ist, Unerschöpfliches erzählen zu können“. So könnte der Schriftsteller vom geglückten Tag erzählen. Aber er will nicht. Nicht so. Vielleicht später. In einem „Traum vom umfassenden, alldurchlässigen Buch“, dem absoluten Buch, in dem man sehen, summen, lesen und leben zugleich kann – tief unten im 36. Stockwerk der Erde, wo jeder Tag ein geglückter Tag gewesen sein wird.
Das ist literarische Mystik, die für Ungläubige komisch ist. Einmal berichtet der Erzähler von „seinem Tag“: Am Morgen dieses Tages erfrischt er sich mit kühlem Wasser, das ihn an das „Wasser von Joannina, jenseits des Pindus“ erinnert, worauf er im stillen „Heilige Welt“ denkt, sich dann aber, beim „Geschiebe und Gerüttel“ des vormittäglichen Holzsägens schon wieder beim „Verfluchen des heiligen Tages“ ertappt und erst im zweiten Anlauf zu einem „beschwingt Dahinsägenden“ werden kann, dem das „Sägen für sich, das bloße Sich-Zusammenfinden und Zusammensein mit dem Holz da ... ideal den Traum von einem interesselosen Wohlgefallen verkörperte“.
Dieser heilig sägende Gartenfreund, der von seinen Holzscheiten,, den Gartenfrüchten, den wehenden Gräsern und den grünenden Wegen gar nicht mehr lassen will, ist eine Provokation. Im Militärflughafen starten die Kampfflugzeuge, und Handke deutet in aller Stille Schlangenlinien auf Bildern des 18. Jahrhunderts, betrachtet Ginkgoblätter und philosophiert darüber, wie er das „Nichts unserer Tage“ „fruchten“ lassen kann. Doch die Provokation ist kalkuliert, die scheinbare Naivität ist ein Teil des Spiels vom geglückten Tag. Handke weiß, was er tut, wenn er sich zum sägenden Kasper macht, und weiß auch, daß aus seinem Zauberspiel wie in einem Umkippbild von einem Augenblick zum nächsten ziselierter Blödsinn werden kann. Er spielt mit dieser Möglichkeit des Umschlagens, wie er mit dem Glück spielt. Und gewinnt. Solange der Zauber hält, ist die heilige Einfalt des Gartenfreundes, die vor keiner Peinlichkeit mehr zurückschreckt, der bitterste Kommentar zu den startenden Bombern.
Das kann schließlich selbst mit den Joanninaschen Wassern versöhnen: die stille Mißachtung der Peinlichkeitsgrenze. Der Autor nimmt seine Sache wichtiger als den Leser. Er will ihn nie beeindrucken (und will für diesen Verzicht um so mehr geliebt werden). Er scheut vor keinem Satzungetüm, vor keinem unbelegten Klassikerzitat, vor keinem dunklen Heideggerianismus zurück, wenn ihm das bei seiner eigensinnigen Suche nach dem reinen Erzählen nutzt. Die gespielte Heiligkeit und der zerbrechliche Zauber seines Glasperlenspiels kann selbst einen literarischen Atheisten beeindrucken. Der spröde Fanatismus und die aufrechte Verbohrtheit, mit der Handke sein Versöhnungswerk voranschreibt, indem er beinahe nichts mehr schreibt, ist so verblüffend, so ärgerlich und bedrückend, daß uns die Späße darüber vergehen – und wir seinen Ernst bewundern. Es gehört zur Glaubensfreiheit, dem Glauben zu mißtrauen und die Gläubigen zu lieben.
Zum Glück geht am Ende alles schlecht aus. Handke, der mit dem Traum vom geglückten Tag wie zur Probe ein wenig mit dem Taschentuch gewedelt hat, steckt das Tuch wieder in die Tasche. Das Spiel vom Buch über den geglückten Tag war ein Glücksspiel, bei dem jeder, der verliert, gewinnt.
Auf den letzten Seiten wird die Hogarthsche Schlange zur Peitsche, die das Stilleben der Sätze zerstückelt. Zurück bleiben nur Fetzen der Schönheit, unverbundene Bilder, die von keinem begütigenden „Und“ mehr gehalten werden und dem Erzähler auf- und davonrasen. „Heim zum Buch, zum Schreiben, zum Lesen“, ruft er sich noch zu. Doch da ist das Buch beinahe schon zu Ende.
„Hast du schon einmal einen geglückten Tag erlebt?“ Ein letztes Mal diese Frage! Und endlich die Antwort: „Hätte ich derartiges, auch nur annähernd, erlebt, so stellte ich mir vor, ich müßte für die folgende Nacht nicht bloß einen Alp befürchten, sondern den Todesschweiß.“ Der geglückte Tag, endlich ist es heraus, wäre der Tag, an dem aller Tage Abend ist.
Die Suche nach dem geglückten Tag ist also nur ein Traum, der sich wie eine Meereswoge auf- und abbewegt. „Wendungen um Wendungen im Leeren, für nichts und wieder nichts, an etwas Drittes, Unfaßbares“ – eine Erzählung von einer Erzählung, die nicht zu erzählen ist. Deshalb mußte es bei diesem Versuch einer Erzählung bleiben, der damit zur eigentlichen Erzählung geworden ist – zum Wintertagtraum.
Shakespeares „Wintermärchen“, das Handke im stillen Weinberg von Suresnes gelesen hat, endet damit, daß die Heldin, Königin Hermione von Sizilien, als Statue weiterlebt, die märchenhafterweise von der echten Königin nicht zu unterscheiden ist. Auch im „Versuch über den geglückten Tag“ ist das Buch am Ende zu diesem geglückten Tag selber geworden. Eine echte Fälschung, die nur so lange lebt, wie der Traum anhält und das Buch geöffnet ist.
Schließt man das Buch, bleibt nichts als das „leere Vogelnest“, an dem draußen der Schnee vorbeifällt. Noch und noch.
Versuch über den geglückten Tag
Ein Wintertagtraum; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1991; 91 S., 24,– DM
http://www.zeit.de/1991/35/eine-echte-faelschung/seite-5